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Interview im Radio Bonn/Rhein-Sieg
Heldenhafte Berufe: So läuft Pflege bei uns
von Rebecca Herrmann
21 März 2022
Eine Woche – ein Beruf. Wir schauen in den Alltag des Pflegeberufes. Wie ist die Bezahlung? Wie hoch die Belastung? Wie ist das Image?
Diesen und anderen Fragen ist RBRS-Reporterin Rebecca Herrmann für euch auf den Grund gegangen.
Was kommt euch als erstes in den Kopf, wenn ihr an die Pflege denkt? Vielleicht alte Menschen, Krankenhäuser mit blinkenden Bildschirmen und schlechte Bezahlung. Das Bild der Pflege in unseren Köpfen ist leider alles andere als positiv. Das wollen wir ändern! Genau deshalb hat sich RBRS-Reporterin Rebecca Herrmann mit Menschen aus verschiedenen Pflegeberufen getroffen: um nicht nur über die Pflege zu sprechen, sondern direkt mit ihr.
Vorurteile
Vorurteile an sich hat jeder Mensch zu jedem Thema. Manche sind positiv, manche negativ. Einige sind wahr, andere leider falsch. So ist es oft auch bei den Vorurteilen, die die Pflege betreffen. Hier sind die größten Vorurteile und warum sie nicht unbedingt wahr sind:
„Pflege hilft einfach nur der Medizin.“
Die Pflege an sich ist eine eigene Profession. Natürlich arbeitet sie Hand in Hand mit anderen Berufen, wie zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten oder Ergo-Therapierenden. Weil die Pflege zum Beispiel die Genesung nach einer Krankheit oder einer Operation unterstützt, braucht sie eigenes Fachwissen, das in einer speziellen Pflegeausbildung vermittelt wird. Das sagen die Menschen aus der Pflege dazu. © Radio Bonn/Rhein-Sieg
„Ich könnte das nicht.“
Dieses Vorurteil kommt vermutlich vor allem daher, dass viele nicht wissen, was genau in der Pflege passiert. Der Tipp aus der Pflege: einfach mal ausprobieren. Ein Praktikum ist in den meisten Stationen gerne gesehen und gibt die nötigen Einblicke, um sich ein besseres Bild zu machen. Das sagen die Menschen aus der Pflege dazu. © Radio Bonn/Rhein-Sieg
„Pflege sorgt nur dafür, dass die Patientinnen und Patienten satt, sauber und trocken sind.“
Natürlich gehören körperhygienische Maßnahmen zu einem Teil der Pflege dazu. Aber das ist nur ein geringer Teil der Aufgaben innerhalb der Pflege. Kommunikation mit den Angehörigen, Überprüfen und Auswerten von Parametern wie Herzschlag und Blutsauerstoffgehalt sowie das Erarbeiten und Durchführen von Genesungsprozessen sind nur einige Beispiele, wie vielfältig Pflege sein kann. Das sagen die Menschen aus der Pflege dazu. © Radio Bonn/Rhein-Sieg
Darstellung in der Öffentlichkeit
Gerade in Zeiten von Corona, wird die Pflege in fast allen Medien regelmäßig dargestellt. Aufgrund von wenig Platz oder kurzen Ausschnitte kann aber natürlich nicht die ganze Bandbreite des Berufes gezeigt werden. Und vor allem in Serien oder Filmen wird ja nicht immer unbedingt die Realität dargestellt. Deswegen haben wir mal die Profis gefragt, was denn so die größten Unterschiede sind.
Matthias Kemp zum Beispiel ist gelernter Fachkrankenpfleger und jetzt im Rettungsdienst unterwegs. Für ihn gibt es auf jeden Fall einen sehr großen Unterschied:
„Im Fernsehen gibt es häufig das sogenannte „Schwester Stefanie“-Phänomen. Da hat ja alles immer gemacht. Das ist eigentlich schon der erste große Unterschied. Die Pflege bündelt natürlich sehr viel auf der Intensivstation. Mehrfach am Tag wird durch die Pflegekräfte Blut abgenommen und auch Laborparameter interpretiert. Und es ist nicht so, dass der Arzt dann zur Visite kommt und in der restlichen Zeit passiert nichts.“
Und was da alles zwischendurch passiert, ist ja nicht nur sehr wichtig, sondern auch sehr unterschiedlich.
Aber das Bild hat sich wohl schon ein bisschen gewandelt, findet Fachkrankenpflegerin Sonja Wolf:
„Die Präsenz, egal in welchem Medium, hat sich schon gewandelt, also es ist präsenter geworden. Aber es kann ja immer nur so einen kleinen Fokus zeigen. Und Pflege ist einfach zu vielseitig.“
Es geht ja auch viel um das Miteinander und die Beziehung zwischen Pflegepersonal und den Patienten und Patientinnen. Und das darzustellen braucht natürlich mehr als nur ein paar Minuten.
Was auch sehr gerne auf der Leinwand gezeigt wird, sind Reanimationen. Also Wiederbelebung, wenn jemand bewusstlos ist und keinen Herzschlag mehr hat.
Carlos Weber ist Intensiv-Fachpfleger und bildet regelmäßig Menschen zum Thema Reanimation aus und weiter. Er meint, was im Fernsehen nach fast Nichts aussieht, ist im echten Leben ganz anders:
„Es ist nicht so, dass der Patient aufsteht, sich bedankt und nach Hause geht. Im Fernsehen wird nicht gezeigt, wie es nach einer Wiederbelebung noch läuft. Wie viel wir danach noch zu tun haben mit einem Patienten und wie lange eine Pflegekraft nur für einen Patienten am Bett steht und ihn betreut.“
Was auch ganz anders ist: sobald jemand im Fernsehen umfällt, wird reanimiert. Carlos konnte aber genauer sagen, wann eine Wiederbelebung wirklich notwendig ist:
„Derjenige, der nicht atmet, wird reanimiert. Wenn jemand plötzlich die Augen aufmacht und sich weht, dann haben wir wieder Puls. Das darf man auch nicht vergessen: eine Reanimation ist schmerzhaft.“
Sein Tipp, wenn ihr eine bewusstlose Person seht: vergewissert euch, ob sie atmet. Wenn ja: stabile Seitenlage. Wenn nicht: reanimieren. Sucht euch Hilfe, um euch abzuwechseln, denn nach ungefähr zwei Minuten wird eine Wiederbelebung zu anstrengend und eure Kraft lässt nach. Für eine Reanimation solltet ihr 30-mal auf den Brustkorb drücken, dann zweimal beatmen. Das Ganze macht ihr so lange abwechselnd, bis medizinische Hilfe da ist. Und falls ihr keine Mund-zu-Mund-Beatmung machen wollt: der Mensch verbraucht von den 21% Sauerstoff, die er einatmet, nur rund 4%. Das heißt die Herzmassage ist im ersten Moment eh das Wichtigste.
Verschiedene Bereiche in der Pflege
Entgegen aller Vorurteile gibt es innerhalb der Pflege super viele verschiedene Bereiche. RBRS-Reporterin Rebecca Herrmann hat mit aus dem RBRS-Land gesprochen. Zum Beispiel mit der ambulanten Pflege, der Pflege auf der Intensivstation im Krankenhaus und der Pflegebildung.
Ambulante Pflege
Heinrich Schlüter ist Wundmanager der AWO mobile Dienste Süd. Jeden Tag besucht er mehrere Patienten und Patientinnen, um sie zu versorgen. Er hat uns einen typischen Tag im mobilen Pflegedienst beschrieben:
Der Tag beginnt um halb fünf morgens. Noch bevor er das erste Mal ins Büro fährt, besucht er seinen ersten Kunden. Im Büro angekommen, bereitet er die Tour vor und sammelt alle notwendigen Medikamente für den Tag ein. Manchmal begleiten ihn Schülerinnen oder Schüler. Sie bekommen dann gezeigt, wie Kompressionsstrümpfe faltenfrei angelegt werden oder wie Blutdruck, Puls und Blutzucker zu messen sind.
Insgesamt versorgt Heinrich Schlüter an einem durchschnittlichen Tag etwa 17 Personen und fährt dabei rund 50 Kilometer. Dabei läuft ein Besuch immer ähnlich ab: die Startzeit wird in das Datenerfassungssystem eingegeben, die durchgeführte Maßnahme in die Kundenakte eingetragen. Diese Maßnahmen sind bei jeder Person auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten. Mal spült Heinrich Schlüter Geschirr und bereitet Pausenbrote vor, mal wechselt er Wundverbände, mal verabreicht er Medikamente, misst den Blutdruck und faxt die Ergebnisse an den Hausarzt. Kein Besuch gleicht dem anderen.
Nach fast zehn Stunden kann Heinrich Schlüter sich gegen 16:00 Uhr auf den Heimweg machen. Er lebt jeden Tag mit seiner Prämisse bezüglich seiner pflegerischen Tätigkeiten: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Dorthe Dörschug arbeitet seit 25 Jahren in der Pflege und ist schon viele Stationen durchlaufen. Seit einiger Zeit ist sie in einem ambulanten Pflegedienst in Bonn tätig. Oder wie sie sagt, in der Königsdisziplin der Pflege:
„Uns begegnen Krankheitsbilder aus allen Fachdisziplinen und fordern immer wieder schnelles kompetentes Handeln ohne stets einen Arzt im Hintergrund zu haben und trotzdem die Autonomie des Kunden zu respektieren.“
Das bringt natürlich viel Verantwortung mit sich. Dorthe hat aber an sich und ihre Kollegen und Kolleginnen den Anspruch, niemals zu werten und den Kunden und Kundinnen immer nach bestem Wissen und Gewissen zur Seite zu stehen, sie zu beraten und eben sie zu pflegen.
Gerade deshalb ist es ihr so wichtig, dass das Bild in der Gesellschaft sich endlich ändert:
„Leider steht die ambulante Pflege in ihrer Außenwirkung selten kompetent und gut da. Dabei wird dieser Zweig immer wichtiger. Dies würde ich mir wünschen: Diskussion der Begleiter auf Augenhöhe, Reflexion der eigenen Haltung, respektvoller Umgang aller Seiten, politische Unterstützung, Attraktivität des Berufes steigern usw. Damit die gute Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen funktionieren kann.“
Ausbildung
Ute Pocha ist Pflegedirektorin der Johanniter-Kliniken Bonn und für insgesamt 300 Pflegekräfte in zwei Krankenhäusern in Bonn verantwortlich. Sie hat uns erzählt, was Pflege für sie ausmacht:
„Die Pflege hat ein Ziel und einen Sinn und beschäftigt sich mit dem höchsten Gut des Menschen – seiner Gesundheit. Die Erfahrung, dass eben diese nicht selbstverständlich ist, ist sicher eine Erfahrung, die jeder Mensch in seinem Leben einmal macht. Und dann ist es gut und wichtig, dass ihm eine Pflegekraft mit professionellen Wissen und hoher Empathie zur Seite steht. Die professionelle Pflege kann über das Sinnvolle und das Machbare empathisch entscheiden und damit den Weg der Gesundung oder der Linderung entscheidend beeinflussen. Die Kommunikation genau darüber mit dem Patienten ist noch vor dem Tun ihre wichtigste Aufgabe.“
Denn auch wenn in der Berichterstattung oft von „Betten“ gesprochen wird, sind es natürlich in erster Linie Menschen, die versorgt werden. Gerade die Verbindung oder Beziehung zwischen den Pflegekräften und ihren Patientinnen und Patienten macht gute Pflege aus.
„Die Pflege eines Menschen ist in erster Linie gelebte Menschlichkeit. Pflegekräfte sind in meinen Augen besondere Menschen, denen es gelingt, in der extremen Situation der Krankheit oder der Pflegebedürftigkeit die Zuwendung zu bieten, die dann von Nöten ist. Ihr Einsatz für die Gesellschaft ist – wie wir seit 2 Jahren durch die Pandemie sehen – nicht hoch genug zu schätzen. Der Umgang mit den Kranken, den Betagten und den Gehandicapten ist der Faktor, an dem sich eine soziale Gesellschaft messen lassen muss. Die Pflegeberufe spielen dabei eine entscheidende Rolle“
Christina Körner aus Hennef ist als Schulleiterin der Johanniter-BildungsGmBh am Johanniter-Krankenhaus in der Pflegebildung tätig. Vor fast 30 Jahren hat sie sich für einen Beruf in der Pflege entschieden, weil sie Menschen in außergewöhnlichen Situationen begleiten wollte und die Kombination aus Natur- und Sozialwissenschaft sie interessiert hat. Noch heute ist Pflege für sie ein attraktiver Beruf mit Zukunft, der sehr breit gefächerte Einsatzmöglichkeiten mitbringt:
„Von Intensivstationen eines Krankenhauses über Beratung bis hin zur Arbeit mit Kindern wird in interdisziplinären Teams gearbeitet. Und dabei gleicht kein Tag dem anderen. Es ist einfach ein spannendes Arbeitsfeld.“
Als Schulleiterin ist für Christina Körner vor allem die Pflegeausbildung ein großes Thema.
„Gerade durch den Wechsel aus Schulblöcken und Praktika entsteht ein breitgefächertes Lehrangebot mit individueller Begleitung und Förderung.“
Auch für Céline Igel spielt die Pflegebildung eine große Rolle: sie ist in ihrem letzten Jahr der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie ist 23 Jahre alt und kommt aus Troisdorf, wo sie auch zurzeit auf der Intensivstation der GFO-Klinik eingesetzt ist. In den drei Jahren Ausbildung war sie unterschiedlichen Bereichen der Pflege eingesetzt:
„Meine Ausbildung geht drei Jahre lang, da ist das dann so, dass ich Blockunterricht habe. Da war ich mal zwei Monate lang in der Schule und danach hatte ich meine Einsätze. Die gehen ungefähr fünf bis sieben Wochen. Da war ich dann immer auf anderen Stationen: in der Chirurgie, im ambulanten Pflegedienst zum Beispiel. Also hatte ich überall einen schönen Einblick; um Ende konnte ich sagen, was mir am besten gefallen hat und da bleibe ich dann jetzt auch.“
Zu den Pflichtstationen in der Ausbildung gehört zum Beispiel die sogenannte Normalstation im Krankenhaus. Aber die Auszubildenden dürfen sich auch bestimmte Bereiche aussuchen, in denen sie eingesetzt werden möchten:
„Ich habe mir zum Beispiel das Altenheim extra dazu gewünscht. Einfach, weil ich die Erfahrung mal machen wollte. Das aber keine Pflichtstation, genauso wie die Schlaganfall- oder die Intensivstation.“
Generell wurde die Pflegeausbildung in den letzten Jahren aber ein wenig umgebaut. Seit 2020 gibt es die generalistische Pflegeausbildung. Dabei werden die Altenpflege, die Kinderkrankenpflege und die Krankenpflege als ein Ausbildungsgang angeboten. Insgesamt beinhaltet die dreijährige Ausbildung 2100 Stunden im schulischen Bereich, in denen Theoriewissen aus der inneren Medizin, der Onkologie, der Anatomie, der Physiologie und anderen Bereichen vermittelt wird. Dazu kommen 2500 Stunden in der Praxis. Am Ende legen die Auszubildenden ihr Staatsexamen ab; in ihrer gesamten beruflichen Laufbahn gibt es aber immer wieder Fort- und Weiterbildungen, um auf dem aktuellen Stand der Technik und der Medizin zu bleiben.
Ein Tag auf der Intensivstation
Die vielleicht bekannteste Art der Pflege ist die Intensivpflege. Mit blinkenden Monitoren und ganz vielen Schläuchen sieht die Intensivstation auf Bildern und im Fernsehen immer besonders eindrucksvoll aus. Aber was macht sie wirklich aus? RBRS-Reporterin Rebecca Herrmann hat sich genau diese Frage gestellt und mal einen Tag lang Intensivpflegekräfte bei ihrer Arbeit begleitet. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen auf der Intensivstation:
„Ich darf heute auf die Intensivstation der GFO Klinik in Sieglar gehen und dort die Pflegekräfte einen Tag lang begleiten. Dafür brauche ich natürlich einen tagesaktuellen negativen Test, eine FFP2-Maske und Turnschuhe. Die Kleidung für den Tag wird mir auf der Station gestellt.
Ich bin jetzt gerade durch eine riesige Metalltür gegangen, um überhaupt auf die Intensivstation zu kommen. Dafür hängt neben der Tür ein Telefon, mit dem man auf der Station anruft, um sich als Besuch oder eben wie ich heute als Reporterin anzumelden. Jetzt bin ich in die Umkleide gekommen. Hier sind ganz viele Schränke, wo die Leute, die hier arbeiten, ihre Wertsachen drin lassen können. Dann noch ein Regal, in dem die Straßenschuhe stehen und eins mit ganz vielen Hosen und Oberteilen, weil ich natürlich nicht mit meiner Straßenkleidung auf der Station arbeiten darf. Die Arbeitskleidung für die Pflegenden heißt übrigens Kasack. Davon gibt es ein Regal mit Hosen und Oberteilen in verschiedenen Größen. Die sind aus blauem Stoff und haben ganz viele große Taschen, damit die Pflegekräfte alles, was sie zum Arbeiten brauchen, immer dabeihaben können.
Intensiv-Pfleger Carlos, RBRS-Reporterin Rebecca und Auszubildende Céline in ihrer Arbeitskleidung
© GFO Kliniken Troisdorf
Als erstes zeigt Céline mir die Station. Insgesamt könnten hier bis zu neun Menschen behandelt werden, jetzt gerade sind vier Betten belegt. Das passt auch ganz gut, weil dann jeder Patient und jede Patientin ein eigenes Zimmer hat. Die ersten beiden Zimmer sind die sogenannten Isolations-Zimmer; da liegen jetzt gerade Patienten und Patientinnen mit Corona. Um die beiden zu behandeln müssen sich die Pflegekräfte auch immer ein- bzw. ausschleusen. Also mehrere Schichten Handschuhe und einen Ganzkörper-Schutzanzug anziehen und dabei vor und nach jedem Schritt alles desinfizieren. So schützen sie sich und die Menschen, die behandelt werden. Direkt am Eingang Station kommt, gibt es einen Tresen, wo die Monitore mit den Kurven zur Überwachung der Werte stehen. Drum herum sind ganz viele Regal und Schränken mit verschiedenen Medikamenten für verschiedene Krankheiten. Am Ende des Flurs ist noch ein Abstellraum, um dem unter anderem der Notfallwagen steht. Denn das Personal der Intensivstation ist auch für Notfälle im gesamten Krankenhaus zuständig. Früher haben sie dann diesen Notfallrucksack genommen, inzwischen haben sie einen ganzen Wagen, um wirklich auf alle Arten von Notfällen vorbereitet zu sein. © Radio Bonn/Rhein-Sieg
Céline zeigt den blauen Kinder-Notfall-Rucksack
© GFO Kliniken Troisdorf
Um 14 Uhr ist der Schichtwechsel. Damit die Station den ganzen Tag über besetzt ist, gibt es insgesamt drei Schichten. Bei der Übergabe wird besprochen, ob neue Patienten und Patientinnen auf die Station gekommen sind, wer welche Medikamente bekommen hat oder noch bekommen soll und ob vielleicht jemand auf die Normalstation entlassen werden soll im Laufe der kommenden Schicht. Bei dieser Schicht begleite ich Carlos. Er zeigt mir, dass am Anfang jeder Schicht die Werte wie zum Beispiel Blutdruck, Puls und Blutsauerstoff überprüft werden müssen. Dafür gibt es verschiedene Kurven auf den Monitoren, die verschiedene Farben haben. Damit die Pflegekräfte schnell und auch von etwas weiter weg erkennen können, welche Kurve zu welchem Wert gehört, sind die Farben immer gleich zugeordnet: grün für den Puls, rot ist der Blutdruck, blau der Blutsauerstoff. Aber nicht nur die, sondern auch die Grenzen, die die Werte nicht über- oder unterschreiten dürfen müssen überprüft und eventuell neu eingestellt werden. Wenn ein Wert zu hoch oder zu niedrig ist, gibt es einen Alarm. Dafür gibt es drei verschiedene Stufen. Bei den ersten beiden ist es wohl oft so, dass nur der Sensor, der den Wert misst, verrutscht oder defekt ist. Der sogenannte rote Alarm kann auch einfach nur ein Messfehler sein, aber genauso kann er auch ein Notfall sein. Um auf solche vorbereitet zu sein, gibt Carlos auch oft Kurse, um das gesamte Krankenhauspersonal zu schulen. Obwohl eine Reanimation oft der letzte Schritt und oft das Ergebnis von mehreren Ereignissen ist, muss sie trainiert werden. Ich habe mich auch mal daran versucht: © Radio Bonn/Rhein-Sieg
Carlos erklärt die Reanimations-Puppe
© GFO Kliniken Troisdorf
Gar nicht so einfach, wie das immer aussieht! Zum Glück mussten wir aber nur die Puppe retten und keinen lebenden Menschen. Während ich auf der Station war, gab es keine Notfälle und auch keine Wiederbelebungen. Trotzdem war der Tag sehr spannend für mich. Pflege ist auf jeden Fall mehr, als nur Körperhygiene. Die Pflegefachkräfte sind auch emotional für die Menschen da, haben ein offenes Ohr und beraten sich auch mit dem medizinischen Personal, welche Behandlung am besten passen könnte. Also definitiv ein heldenhafter Beruf!“
Das sind nur ein paar Richtungen, in die Pflege gehen kann. Natürlich gibt es in vielen anderen Bereichen auch Pflegefachkräfte. Zum Beispiel auf Kreuzfahrtschiffen, in der Gynäkologie, in der Alten- oder Kinderkrankenpflege, aber auch in der Forschung oder in der Bildung selbst arbeiten ausgebildete Pflegefachkräfte. Selbst das sind bei weitem nicht alle Bereiche. Pflege gibt es in fast jeder Richtung, die es in der Marktwirtschaft in Deutschland gibt.
Und was viele gesagt haben: durch Weiterbildungen oder Wechsel innerhalb des Berufes gibt es ein lebenslanges Lernen, was es in anderen Berufen vielleicht nicht so gibt. Und gerade das mache für viele der Pflegenden diesen Beruf so interessant und abwechslungsreich.
Probleme in der Pflege
Natürlich gibt es in der Pflege, genauso wie in anderen Berufen, auch Probleme. Fachkräftemangel, belastende Arbeitsbedingungen und geringe Gehälter sind die, die immer wieder auftauchen, wenn das Thema zur Sprache kommt. Was genau sagen denn die Pflegenden dazu? Hier ein paar Meinungen und Antworten:
Fachkräftemangel und „Plexit“
Sonja Wolf, Fachkrankenpflegerin aus Leverkusen:
„Worum ich mir echt Sorgen mache: ich gehöre ja zu dieser Baby-Boomer-Generation und wir alle gehen in den nächsten zehn bis 15 Jahren raus aus dem Beruf. Und die Nachwuchssituation ist einfach schlecht. Corona war dann nochmal ein Anlass, wo man vorher schon überlegt hat, ob man den Beruf verlässt oder in die Teilzeit geht. Teilzeit ist für mich auch schon eine Form des sogenannten Pflexit, von dem man immer redet.“
Matthias Kemp, Fachkrankenpfleger aus Hennef:
„Wenn man auf seinen eigenen Werdegang zurück guckt, dann ist es wichtig, dass man sich auf den Bereich, den man von Kollegen gelernt hat, wieder besinnt. Und dass es auch wichtig ist für die jetzigen Kollegen, ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben an die nächste Generation. Wenn da ein Schnitt drin gemacht wird, dann funktioniert das ganze System nicht mehr und dann bröckelt auch eine gute Ausbildung.“
Michaela Weber, Diplom-Pflegewirtin mit Master aus Bornheim:
„Es muss sich etwas tun, dass wir ausreichend Pflegekräfte qualifizieren können. Es ist einfach beschämend, dass die Politik es nicht geschafft hat, die Hochrechnung, wie viele Pflegekräfte wir 2030 brauchen, zu erreichen. Stattdessen haben wir jetzt durch Corona sogar Abwanderer. Entweder verlassen sie ihren Beruf ganz oder sie reduzieren die Stunden.“
Kommunikation
Carsten Hermes, Fachkrankenpfleger und Pflegewissenschaftler aus Bonn:
„Ganz viele Probleme in der Pflege sind darauf zurückzuführen, dass nicht von Anfang an Pflege für sich selber entschieden und gesprochen hat. Es wurde viel über uns gesprochen und es wurde auch viel applaudiert, aber am Ende ist relativ wenig davon übriggeblieben.“
Matthias Kemp, Fachkrankenpfleger aus Hennef:
„Bei der Kommunikation mit der Politik also mit den Entscheidungsträgern wäre viel dabei gewonnen, wenn es wirklich ernst gemeint wird. Wenn man wirklich die Situation der Pflege verbessern will.“
Corona
Carsten Hermes, Fachkrankenpfleger und Pflegewissenschaftler aus Bonn:
„Das, was einige von uns sehr getroffen hat ist, dass man doch das Gefühl hatte, unvorbereitet in die Situation rein zu gehen, obwohl man doch genau wusste, was auf uns zukommt. Es geht uns, genauso wie jedem da draußen: Wir sind ein bisschen erschöpft und genervt von der Pandemie. Die darf jetzt gerne mal vorbeigehen.“
Céline Igel, Auszubildende Gesundheits- und Krankenpflege aus Troisdorf:
„Man musste auf viele Sachen mehr achten. Ich war dann immer fix und fertig nach dem Dienst. Ich hoffe, dass ist bald mal vorbei, weil das geht schon wirklich auf alles am Körper. Man macht trotzdem sein Bestes, ist da für den Patienten. Aber auch für ihn ist es ja nicht schön, wenn er die ganze Zeit isoliert ist.“
Michaela Weber, Diplom-Pflegewirtin mit Master aus Bornheim:
„Wir haben natürlich durch die Corona-Zeit viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber geändert hat sich leider nicht viel. Es ist kurzfristig ein Aufflackern gewesen, dass unser Berufszweig an Aufmerksamkeit gewonnen hat; aber wir stellen auch fest, dass das sehr schnell wieder abflautet.“
Bezahlung
Sonja Wolf, Fachkrankenpflegerin aus Leverkusen:
„Was natürlich ist, dass man die Gehälter hochsetzen muss. Damit Pflege auch in Konkurrenz treten kann mit anderen Berufen.“
Matthias Kemp, Fachkrankenpfleger aus Hennef:
„Natürlich, da muss was passieren, keine Frage. Aber es ist glaube ich nicht so, dass die Pflege zu den am schlechtesten bezahlten Berufen in der Bundesrepublik gehört.“
Michaela Weber, Diplom-Pflegewirtin mit Master aus Bornheim:
„Gerade was die Finanzierung angeht, haben wir in der Pflege immer wieder verloren in den letzten 20 bis 30 Jahren. Alles, was an Weiterqualifizierungsmaßnahmen läuft, bezahlen wir selber. Und wir kümmern uns auch selber darum, dass sie stattfinden können. Und wir bezahlen ganz viel selber, weil der Pflegeberuf immer noch in der Gesellschaft als kostengünstige Dienstleistung gesehen wird. Aber leider wird die Professionalität, die für den Pflegeberuf erforderlich ist, nicht gesehen.“
Berufspolitische Selbstorganisation
Dass der Pflegeberuf einige Probleme hat, ist nicht abzustreiten. Wie genau er sie beheben kann, ist jedoch nicht ganz so einfach zu klären.
Durch Berufs- und Fachverbände und Gewerkschaften können sich Menschen in der Pflege organisieren. Das heißt, sie treten freiwillig Organisationen zu und setzen sich zum Beispiel für mehr Gehalt oder bessere Arbeitsbedingungen ein.
So auch zum Beispiel Sandra Kaspar. Sie arbeitet seit 28 Jahren in der Pflege und ist zurzeit Krankenpflegerin an der Uniklinik Bonn. Gemeinsam mit Pflegenden von allen sechs Unikliniken in NRW ist sie am 23. März zum Landtag nach Düsseldorf gefahren. Dort haben sie den Politikerinnen und Politikern eine Liste mit 11.600 Unterschriften von Pflegekräften überreicht, die sich für den Tarifvertrag Entlastung stark machen. Der soll dafür sorgen, dass Pflegende auf den Stationen und in anderen Bereichen weniger körperlich und psychisch belastet werden. In Berlin ist bereits so ein Vertrag in Kraft getreten, deswegen ist Sandra Kaspar optimistisch:
„Da ist es deutlich besser geworden für die Kollegen. Wir freuen uns, wenn wir es auch schaffen würden.“
Als eine andere Möglichkeit für Verbesserungen sehen einige die geplante Pflegekammer NRW. Sie soll alle Verbände und Gewerkschaften zusammenführen und so der Pflege eine Stimme geben. Zu ihren Aufgaben soll es gehören, den Pflegeberuf nachhaltig zu verbessern und somit nicht nur den Pflegekräften zu helfen, sondern der gesamten Gesellschaft. Mehr Infos zur Kammer gibt es auch auf der offiziellen Webseite der Pflegekammer NRW.
Was hierbei jedoch teilweise kritisiert wird, ist die Pflichtmitgliedschaft bzw. die damit zusammenhängenden Pflichtbeiträge. Es wird bemängelt, dass viele Pflegekräfte sich bewusst dazu entschließen, sich nicht berufspolitisch zu organisieren. Mit einer Pflichtmitgliedschaft wäre dieses Recht nicht mehr gegeben.
Andere wiederum sagen, dass für eine repräsentative Darstellung aller Meinungen auch alle Pflegenden Mitglieder sein müssen. Denn nur so könne man Umfragen und ähnliches machen und auch wirklich alle Seiten in Entscheidungen einbeziehen.
Sonja Wolf ist Fachkrankenpflegerin und Mitglied im Errichtungsausschuss der Pflegekammer. Sie sagt, dass auch kritische Stimmen innerhalb der Kammer wichtig sind:
„Ich glaube der größte Fehler ist, nicht zu wählen. Es ist total wichtig, dass auch die Interessen der kritischen Menschen vertreten werden.“
Und auch für Pflegewissenschaftler Carsten Hermes aus Bonn ist die Kammer ein wichtiger Meilenstein für alle Pflegeberufe. © Radio Bonn/Rhein-Sieg
Was genau die Pflegekammer ändern wird und wie und ob sie von den Pflegekräften angenommen wird entscheidet sich frühestens im Herbst, wenn die Wahlen anstehen.